Requiem für einen Spion

Verrat, Lügen und großes Gelächter

d'Lëtzebuerger Land du 06.03.2015

Requiem für einen Spion, George Taboris Stück in drei Akten, ist ein wahres Requiem, ein trauriger Abschied vom Leben. Inszeniert wie eine urkomische Farce, ist es aber eigentlich der dramatische Lebensausgang von drei Ex-Spionen des britischen Secret Service, die nach langen Jahren in einer düsteren Londoner Tiefgarage wieder auf-einander treffen und über die gemeinsame Vergangenheit philosophieren. Es verbindet sie mehr als nur das damalige Doppelleben als Spione, sie haben auch eine persönliche Beziehung zueinander: ein jüdischer Ex-Agent mit Gedächtnislücken, der seine Memoiren schreiben will; sein (sehr) britischer früherer Vorgesetzter, der nun Psychiater für senile Sextäter ist, und die „weiße Rose“ Maggie, Ex-Geliebte der beiden Männer, der in einem Verhör die Zunge abgeschnitten wurde.

So bizarr und verstrickt wie die Charaktere sind auch die Dialoge. Die Verbindung zwischen den einzelnen Figuren wird erst allmählich klar, was den Anfang des Stücks etwas schwerfällig und konfus wirken lässt. Nach und nach werden die Ereignisse, die Geheimnisse der einzelnen Personen und die Verstrickung ihrer Schicksale jedoch klarer. Ihre Fragen aneinander werden mutiger und decken die Narben auf, die ein Leben als Doppelagenten hinterlassen hat. Die Taten und Ereignisse des Krieges wurden lange ignoriert und verdrängt, bis sie unweigerlich durch das Wiedersehen wieder an die Oberfläche gelangen. Eine ordentliche Dosis schwarzer Humor bringt schnell die nötige Leichtigkeit und Witz in das Geschehen.

Der jüdische Autor Tabori vermischt Holocaustwitze („Tod durch Verbrennen ist eine Familientradition“), Kabarett und moderne Sketche zur größten Freude des Zuschauers. Als klar wird, welch schreckliche Vergangenheit die drei verbindet und wie stark sie von Tod, Verrat und Grausamkeit geparägt ist, beschleicht den Zuschauer fast das schlechte Gewissen, denn man kann nicht aufhören zu lachen. Das Geschehen und die Texte schwanken zwischen Albernheit, Schock und Mitleid angesichts des traurigen Lebensabends der drei Ex-Agenten.

Luc Feit ist brillant in der Rolle des jüdischen, neurotischen Ex-Spions, der vor den Scherben seines zerstörten Lebens noch immer nicht weiß, wer er eigentlich ist. Steve Karier (ur-komisch) kommt ihm zu Hilfe als leicht perverser, distanzierter Psychiater. Josiane Pfeiffer porträtiert eine starke Maggie, die ihre vergangenen Leiden übertrumpft, aber auch immer wieder eine verletzliche und verwirrte Frau zum Vorschein kommen lässt.

Die geniale Darbietung der Schauspieler, die Unverfrorenheit und der tiefschwarze Humor von Taboris Text bewahrt das Stück davor, eine melodramatische Begegnung von Kriegsopfern zu werden. Stattdessen ist Requiem für einen Spion eine simpel, aber wirkungsvoll inszenierte Erzählung, die zu einer wahren Explosion von Gelächter verführt. Gleichzeitig stellt sie existenzielle Fragen: Wo hört Verdrängung auf und wo beginnt Selbstbetrug? Immer wieder schleichen sich faustische Fragen und die Parabel „Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis“ ein. Ein Meisterstück!

Requiem für einen Spion, von George Tabori, Inszenierung: Johannes Zametzer; mit Luc Feit, Steve Karier und Josiane Peiffer; Bühne Johannes Zametzer und Max Kohl; Kostüme Anatoli Papadopoulou; Licht Max Kohl; letzte Vorstellung am 26. März um 20 Uhr im Studio des Grand Théâtre; Einführung zum Stück durch Simone Beck eine halbe Stunde vor Vorstellungsbeginn (in Deutsch); www.theatres.lu.
Nathalie Medernach
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