Eine Erbschaftssteuerreform könnte die gesellschaftlichen Unterschiede verringern

Vermögen ohne Verdienst

d'Lëtzebuerger Land du 06.03.2015

Er gehört zu den Senkrechtstartern seit den vorgezogenen Wahlen vor anderthalb Jahren: Mit dem Renommee des langjährigen LSAP-Abgeordneten und Fraktionssprechers Ben Fayot erstmals ins Parlament gewählt, machte Franz Fayot gleich als Haushaltsberichterstatter und finanzpolitischer Sprecher seiner Partei von sich reden. Als Zentrumsabgeordneter und Geschäftsanwalt gehört er nicht zum linken Flügel der Partei. Trotzdem machte er den bisher interessantesten Vorschlag in der Diskussion über die geplante Steuerreform. Denn die Erhebung von Erbschaftssteuer in direkter Linie, das heißt auf dem Vermögen, das Kinder von ihren Eltern erben, ginge deutlich weiter als die von seiner Partei geforderte „Reichensteuer“, ein neuer Spitzensteuersatz in der Einkommensteuertabelle.

„Ich brachte die Idee während einer Debatte im Radio 100,7 vor“, erinnert sich Franz Fayot. „Ich hatte Thomas Pikettys Le capital au XXIe siècle gelesen. Der schreibt, dass das Vererben von Vermögen eine der Hauptursachen für die zunehmenden Ungleichheiten in der Gesellschaft ist. Deshalb hält Piketty eine gerechte Erbschaftssteuer für nötig.“

Denn durch ererbtes Vermögen, das vor allem als Immobilien und Wertpapiere höhere Erträge abwirft als Lohnarbeit und zudem hohe Ausgaben erspart, wie zum Beispiel Miete oder Hypothekendarlehen, nehmen laut den Berechnungen von Thomas Piketty die Einkommensunterschiede über Generationen hinweg zu. Die Erbschaftssteuer soll diese Entwicklung zumindest bremsen: „Des simulations simples montrent là encore qu’un impôt progressif sur les successions peut réduire très fortement la part du centile supérieur caractérisant la répartition des patrimoines dans le long terme.“ (S. 595).

Wobei Franz Fayot darauf hinweist, dass ererbtes Vermögen ein „Windfall Profit“ sei, der nichts mit den Verdiensten der Erben zu tun habe, also dem liberalen Leistungsprinzip widerspreche. Auch den Einwand, ein Erbe mit der vergangenen Leistung der Eltern zu rechtfertigen, lässt er nicht gelten, denn Kinder seien nun einmal nicht die bruchlosen Rechtsnachfolger ihrer Eltern.

Das Luxemburger Erbrecht ist mehr als 200 Jahre alt und geht auf die Einführung des Code Napoléon 1804 zurück, der durch die Gleichbehandlung der Geschwister, die Abschaffung des feudalen Rechts des Erstgeborenen und des aristokratischen Familienfideikommiss eine Revolution darstellte. 1817 folgte dann im neuen Großherzogtum das Gesetz über die Erhebung der Erbschaftssteuer. Es ist bemerkenswerterweise mit einem halben Dutzend Änderungen bis heute in Kraft, darunter sein Artikel XXIV, der besagt: „Est exempt du droit de succession: 1° Tout ce qui est recueilli ou acquis, en ligne directe.“ In direkter Linie wird heute lediglich der Anteil besteuert, der über den gesetzlich vorgesehenen Erbteil hinausgeht, wenn beispielsweise jemand durch Testament eines seiner Kinder bevorzugt.

Dass hierzulande keine Erbschaftssteuer in direkter Linie erhoben wird, stellt im internationalen Vergleich eine seltene Ausnahme dar. In Belgien müssen beispielsweise die erbenden Kinder drei bis 30 Prozent Steuern zahlen, in Frankreich fünf bis 40 Prozent, in Deutschland sieben bis 30 Prozent, in den Niederlanden zehn bis 20 Prozent, in Italien vier Prozent und in Großbritannien 40 Prozent.

Doch „Erbschaftssteuer in direkter Linie ist ein Tabu und setzt sofort Emotionen frei“, hat Franz Fayot festgestellt. „Die Leute fürchten gleich, dass der Staat sich an das ererbte Elternhaus heranmacht.“ Trotzdem sei eine nüchterne Diskussion angebracht. Wobei man selbstverständlich auch über einen Freibetrag diskutieren müsse, der „der Luxemburger Situation angepasst“ sei. „Weshalb nicht im Gegenwert eines Eigenheims?“

Irgendwie von der Erbschaftssteuer in direkter Linie befreien möchte der Abgeordnete auch Familienbetriebe. Das widerspricht zwar der Absicht, die gesellschaftlichen Unterschiede zu verringern. Denn gerade wenn Vermögen die Form von Kapital annimmt, vergrößert es die Einkommensunterschiede am meisten. Aber Franz Fayot geht es „um den Fortbestand der Unternehmen“, um so mehr, als es sich hierzulande meist um kleinere mittelständische Firmen handele.

Weil es Franz Fayots Ziel ist, erst einmal eine Debatte über gesellschaftliche Ungleichheiten anzustoßen, hat er auch noch nicht über einen Steuersatz nachgedacht. Die Steuersätze der progressiven Erbschafssteuer sind sehr unterschiedlich. Sie reichen von vier Prozent für Gemeinden, Stiftungen und Kirchen bis zu 15 Prozent für Nicht-Verwandte und Aufschlägen von bis zu 22 Zehnteln für die höchsten Vermögensanteile. Franz Fayot kann sich vorstellen, dass in direkter Linie ein „Steuersatz im unteren Bereich“ angebracht sei. Heute müssen Kinder auf dem Anteil, der über ihren gesetzlichen Anteil hinausgeht, fünf Prozent zahlen, ebenso wie kinderlos Verwitwete.

Entsprechend schwer sind die möglichen zusätzlichen Einnahmen für die Staatskasse abzuschätzen. 2013 nahm der Staat 75,6 Millionen Euro an Erbschaftssteuer ein, was ein vergleichsweise bescheidener Betrag ist im Vergleich zu den Vermögenswerten, die vererbt wurden. Aber von den 4 115 Erbschaftserklärungen, die 2013 beim Enregisterement eingingen, war nur ein Viertel, 1 152 Erklärungen, steuerpflichtig. Wenn auch nur auf einem Teil der von der Steuer befreiten 2 963 Erklärungen ebenfalls Erbschaftssteuer erhoben würde, dürften die staatlichen Einnahmen aus dieser Steuer deutlich steigen. Doch das hängt wesentlich vom Steuersatz, dem Freibetrag und den Möglichkeiten insbesondere von Besitzern großer Vermögen ab, juristische Konstruktionen zur Vermeidung der Erbschaftssteuer zu organisieren.

Franz Fayot ist sich der „großen Feindseligkeit“ bewusst, auf die die Einführung der Erbschaftssteuer in direkter Linie stößt. Bezeichnenderweise kam das Wort „Erbschaftssteuer“ in keinem Wahlprogramm der neun Parteien von rechts bis ganz links vor, die 2013 zu den Landeswahlen kandidierten, auch nicht im Wahlprogramm der LSAP, die angetreten war, den Staat zu reformieren und zu modernisieren.

In dem von Franz Fayot mitverfassten „Posi­tionspapier“ der Fondation Robert Krieps heißt es zwar, dass „auch strittige oder vernachlässigte Themen“, wie eine „‚kluge’ Erbschaftssteuer (mit Ausnahmetatbeständen für Betriebe und Immobilien, die vom Erbenden tatsächlich bewohnt werden)“ der LSAP „längerfristig und unabhängig von Koalitionszwängen und -programmen“ diskutiert werden sollten. Aber bei der für übernächstes Jahr angekündigten Steuerreform wird nach Franz Fayots Schätzung die Erbschaftssteuer in direkter Linie kaum zu den Vorschlägen seiner Partei gehören. Das seien „weitgehend eigene Überlegungen“, von denen zuerst die eigenen Parteikollegen überzeugt werden müssten.

Die LSAP fühlt sich auch als gebranntes Kind, seit die CSV im Wahlkampf 1979 eine Anzeigenkampagne gegen sie geführt hatte, dass sie die Familien um ihr Häuschen bringen wolle. Vielleicht wird auch befürchtet, dass die Einführung der Erbschafssteuer in direkter Linie das wirtschaftsfreundliche Bild trüben könnte, mit dem High net worth individuals angelockt werden sollen.

Romain Hilgert
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