Soziologie des Wahlresultats

Abfuhr für die ADR

d'Lëtzebuerger Land du 11.06.2009

Die ADR-Spitzenkandidaten sind zerknirscht, ihre Wähler wollen es nicht so recht glauben. „Et kann jo net sinn, datt jiddereen deen ech kennen, den ADR gewielt huet an se verléieren Stëmmen“, meint ein enttäuschter Anhänger am Montagmorgen im rtl.lu-Internetforum und sieht eine Manipulation, „wéi deemols beim Bush an Amerika“. „Dat schlecht Ofschneide vun der ADR beweist alt erëm, dass d’Lëtzebuerger keen Funken (sic) méi vun Nationalgefill hunn, dat ass nämlech déi eenzeg Partei, déi nach weess, wou eis Wuerzelen sinn.“ 

Jedenfalls ist die Rechnung der ADR nicht aufgegangen, mit latenter Fremdenfeindlichkeit zu punkten. Dass die­se der traditionellen Luxemburger Kultur zuwiderläuft und auch nicht mit der augenblicklichen wirtschaftlichen Entwicklung, die trotz Krise und zunehmender sozialer Unsicherheit noch immer eine Win-Win-Situation für „alle in Luxemburg lebenden und arbeitenden“ darstellt, kompatibel ist, wusste auch die ADR, wie folgende Aussage zeigt: „Die ADR erkennt an, dass sich Luxemburg ohne Zustrom von neuen Einwohnern und Grenzgängern nicht zu dem entwickeln konnte, was es heute ist. Auch in wirtschaftlich schweren Zeiten werden wir auf diese Mitarbeiter angewiesen bleiben. Der Kampf gegen Fremdenhass (Xenophobie) muss weitergeführt werden. Die ADR verschließt sich keineswegs dem Prinzip der multikulturellen Gesellschaft, insofern unsere ausländischen Mitbürger und ihre mitgebrachten Kulturen zu einer Bereicherung des Allgemeinwesens beitragen.“

Trotz der expliziten Absage an die Ausländerfeindlichkeit griff sie in ihrem Wahlkampf zurück auf zentrale Motive des Rechtspopulismus, wie die Hochstilisierung der eignen nationalen Gemeinschaft, die es gegen die Bedrohung von Neuhinzugekommenen und Andersartigen zu schützen gelte. Im Sinne einer Wir-sitzen-alle-in-einem-Boot-Ideologie wurden die Unterschiede in der nationalen Gemeinschaft geleugnet und unterschiedliche Interessen – zum Beispiel von Immobilienbesitzern und Mietern, von prekarisierten Arbeitnehmern und Staatsbeamten – hinter einer monolithischen Luxemburger Identität versteckt. 

Am Anfang, als die ADR 1987 als Ein-Punkt-Bewegung antrat, um die ganze Bevölkerung in den Genuss einer 5/6-Rente zu bringen, stand der Sozialneid. Ihre gesellschaftliche Basis stellten die vom damaligen Wirtschaftsaufschwung Vergessenen: kleine Selbstständige, Bauern und die älteren Wähler im ländlichen Raum, die von der Erneuerung der CSV enttäuscht waren. Für diese wurde Marie-Josée Jacobs auch wieder in diesem Wahlkampf zum feministischen Feindbild aufgebaut, die mittels „Chèque Services“ die Mütter in die Lohnarbeit treiben will. Nach der Wahlniederlage 2004 hat das „Aktionskomitee für Demokratie und Rentengerechtigkeit“ mit einem erneuerten Personal, unter neuem Namen, jetzt als “Alternativ demokratische Partei“ und mit neuen professionellen Wahlkampfmethoden versucht, die Staatsbeamten und andere para-staatlichen Bediensteten, die ungefähr die Hälfte der Wählerschaft darstellen, mit ins Boot zu nehmen. Ob dies bei der ursprünglichen, mittlerweilen überalterten Wahlklientel angekommen ist, müssen die nach der Wahl durchgeführten Meinungsumfragen und daraus errechnete Wählerwanderungen ergeben. In diesem Beitrag soll gezeigt werden, wie die ADR, aber auch andere Parteien, auf die Angst vor Überfremdung und vor gesellschaftlichem Abstieg, die sich in sprachpatriotischen Haltungen äußert, reagierten. Dabei werden wir hauptsächlich auf die Schriften der ADR und auf die Diskussion im Internet-Forum rtl.lu eingehen.

Identität definieren 

Einer der Hauptwahlslogans der ADR lautet: „Fir eis Identitéit: Sprooch, Nationalitéit, Integratioun a Wahlrecht“. Mit dem Stichwort Wahlrecht ist gemeint, dass die Ausländer kein Wahlrecht für die Parlamentswahlen bekommen sollen, Integration steht für „eine wahre Integrationspolitik, die bislang fehlt. Toleranz und Akzeptanz gegenüber fremden Kulturen darf aber nicht zu einer Auflösung der Luxemburger Identität führen.“ Diese Identität wird mit der Luxemburger Sprache gleichgestellt, denn alle Versuche, eine darüber hinausgehende Definition zu finden, scheitern. So zum Beispiel in einer Pressekonferenz, als Robert Mehlen auf Nachfrage einer Journalistin nach Rücksprache mit seinen Parteifreunden auf dem Podium, unter mehr oder weniger verschämtem Lachen, die Ablehnung der Deutschen zum Identitätsmerkmal machen wollte. O-Ton Mehlen: „Mir wësse jo all, datt wann e Footballmatch stattfënnt, wou Lëtzebuerg nët involwéiert ass, bei der grousser Majoritéit vun onse Matbierger d’Freed ëmmer ganz grouss ass, wann eis däitsch Noperen eng an d’Këscht kréien. Dat gehéiert iergendwéi zur Lëtzebuerger Identi­téit, hëhë (Heiterkeit)  … ass awer villäicht méi historesch begrënnt.“ Auf dem Podium neben ihm wurde relativiert: “Mir sinn iewel all Fan vun engem däitschen Football Club”.

In ihrem im Mai 2008 vorgestellten Manifest zur Förderung der Luxemburger Sprache unternimmt die ADR einen recht hilflosen Versuch, die Luxemburger Nation und Sprache theoretisch zu begründen, und fällt dabei in eine ideengeschichtlichen Kontroverse der Mitte des 19. Jahrhunderts: Sie lehnt eine politische Definition der Nation, die sie ASTI und Ernest Renan zuschreibt, ab, um die Gegenposition der deutschen Romantiker einzunehmen, für die der Wunsch zusammenzuleben nicht genügt, sondern es einer tieferen Begründung der Volksgemeinschaft bedarf. Gegen die Willensnation entscheidet die ADR sich für die Abstammungsnation, indem sie Herder und Fichte zitiert. Aber nicht vom Volksgeist oder von gemeinsamer Abstammung ist die Rede, sondern von der Sprache, in der das Volkstum verankert ist: „De Wonsch zesummenzeliewen geet alleng net duer, dëst Zesummeliewen kann nëmmen iwwer eng gemeinsam Sprooch geregelt ginn, an déi ass zu Lëtzebuerg Lëtzebuergesch.“

Forderungen wie, dass es wieder selbstverständlich werden müsse, in Luxemburg luxemburgisch zu reden, verschleiern dabei drei wesentliche Aspekte: Es ist noch nicht lange her, dass Luxemburgisch überhaupt als Sprache angesehen wird, und auch heute noch basiert der schulische und berufliche Aufstieg der Luxemburger auf der Beherrschung von Fremdsprachen, insbesondere Französisch. Vor allem aber ist Luxemburg ein kleines Land und die Luxemburger Sprache zählt nur wenige Sprecher.

Die wahren Sprachschützer und die anderen

Die Sprachwissenschaft beschreibt Luxemburgisch als Ausbausprache, die dadurch entsteht, dass die Luxemburger im Rahmen des Nationsbildungsprozesses sich eine eigene Sprache gegeben haben, um ihre Eigenständigkeit zu bekräftigen. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen, da immer noch etliche Domäne, besonders im Schriftsprachlichen, dem Luxemburgischen verschlossen bleiben. Dieser Prozess hat sich in den letzten zehn Jahren beschleunigt, weil bei der Umverteilung der Früchte des Wirtschaftsbooms die Beherrschung der Luxemburger Sprache und auch der besonderen dreisprachigen Kompetenz, wie sie in der Luxemburger Schule gefordert wird, hohe Distinktionsprofite abwirft. Besonders für weniger Gebildete kann die Luxemburger Sprache zum entscheidenden Vorteil auf dem Arbeitsmarkt werden und dadurch übernimmt sie immer stärker eine protektionistische Funktion. Auch in der Schule werden die klassischen sprachlichen Selektionsmechanismen – in den unteren Klassen scheitern die Ausländerkinder aus romanophonen Ländern am Deutschen, auf den höheren die Luxemburger am Französischen – immer mehr in Frage gestellt. Da diese Prozesse, ohne explizite Sprachenpolitik, hauptsächlich wildwüchsig ablaufen, werden sie auf symbolischer Ebene ausgetragen, zum Beispiel im Streit um die Einschreibung des Luxemburgischen als Nationalsprache in die Verfassung. Sie schlagen sich auch nieder in Diskussionen, die hauptsächlich auf Leserbriefseiten und Internetforen und neuerdings auch auf Facebook ausgetragen werden. Auch wenn es nur wenige hundert Diskutanten sind, die sich immer wieder teils unter verschiedenen Pseudonymen zu Wort melden, kann man nicht übersehen, dass verschiedene Petitionen einen ge­wissen Achtungserfolg verzeichnen (mehr als 1 300 wollen eine Straßenmaut von de Grenzpendlern erheben, mehr als 1 500 wollen eine den römischen Verträgen widerspre­chen­de Arbeitserlaubnis mit obligatorischer Sprachprüfung einführen). Wie viele Stimmen diese Bewegung wiegt, ist eine Frage, die sich nicht nur die Parteien im Vorfeld der Wah­len gestellt haben. 

Die Sprachschützer der ersten Stunde, wie Lex Roth, der CSV nahestehend, wollten vermeiden, dass „klengkarréiert Partei-Frusterte“ sich auf Kosten der Luxemburger Sprache profilieren („En Dauereschued. Huet eis Sprooch dat verdéngt?“). Am Samstag vor der Wahl hat Lex Roth sich noch einmal in der Klack fir eis Sprooch zu Wort gemeldet, um mehr oder weniger verklausuliert zur Unterstützung der CSV und explizit für deren Kandidat Paul-Henri Meyers aufzurufen, so als ob dieser der einzige wäre, der die Unterstützung der Aktioun Lëtzebuergesch verdiente.Gleichzeitig spricht Roth sich gegen das Sprachexamen zur Erlangung der doppelten Staatsbürgerschaft aus („eng Sproochobligatioun (…) déi absolutt iwwerdriwwen an net zeideg ass“), vermutlich um sich dadurch von der ADR abzusetzen. 

Parteien auf Stimmenfang

Nicht nur die ADR versucht, auf der Sprachendiskussion und der sich darin äußernden fremden- und besonders grenzgängerfeindlichen Stimmung zu surfen. So greift Claude Meisch in seinem Aufbruch-Text das „gute Recht“ eines jeden, seine sprichwörtliche „Aachtchen“ auf luxemburgisch einzukaufen, auf, und die DP trug der protektionistischen Antigrenzpendler-Stimmung Rechnung, indem sie Vorschläge machte, um den Export von Kindergeld ins Ausland abzusenken. Worum es der ADR in Wahrheit geht, zeigt ihre Reaktion auf diesen Vorschlag in ihrer Maach-mat-Zeitung: „Et ass schonns méi wéi eng Frechheet, datt déi Blo och dee­ne ‚Lëtzebuerger Frontalieeën‘ wëllen d’Kannergeld ewech huelen.“ Auch Juncker spricht sich gegen den DP-Vorschlag aus, aber mit anderer Motivation. Er sieht in dieser DP-Initiative und auch in deren Einsatz für die Mittelschichten die Gefahr, die Menschen in Kategorien einzuteilen, was der sozialen Geschlossenheit der Gesellschaft abträglich sei. 

Doch scheint es in der CSV eine Rollenverteilung zu geben, um verschiedene Wahlklientelen zu bedienen, denn zumindest Teile spielen im bösen Spiel mit dem nationalistischen Feuer der Ausländerfeindlichkeit mit. Wie anders soll man die Initiative von Michel Wolter zur Ersetzung der Nationalflagge durch den Roten Löwen verstehen, die mit ihren 26 500 Unterschriften die erfolgreichste unter den patriotischen Initiativen darstellte. Der elektorale Hintergedanke der Aktion wird deutlich in Wolters, kurz vor der Wahl lanciertem Aufruf, ihm die schönsten Fahnen-Fotos für seine Internetseite zuzuschicken, wo man schnell weit über hundert bewundern konnte.

In ihrem Programm erwähnt die LSAP die Luxemburger Sprache nur nebenbei, wirbt aber für Mehrsprachigkeit, eine offene Geisteshaltung, Toleranz und gegenseitigen Respekt in einer multikulturellen Gesellschaft. In einem Tageblatt-Artikel zur Frage, ob das Luxemburgische eine bedroh­te Sprache sei, legt Ben Fayot sich mit den „Zauberlehrlingen hierzulande“ an, die „das Sprachenthema und die Identität“ für sich vereinnahmen wollen.

„Was für die Entwicklung und das Leben einer Sprache zählt, ist die Haltung der Sprechenden ihrer Sprache gegenüber, nicht die Politik, die damit aus durchsichtigen Ursachen betrieben wird; diese Haltung ist in Luxemburg durchwegs positiv, und passt zu der sprachlichen Aufgeschlossenheit und Toleranz der Luxemburger.“ Die Intoleranz musste er am eigenen Leibe erfahren. Als er den Text auch im rtl.lu-Forum veröffentlichte, schlug ihm eine Welle der Empörung entgegen, die ein Mitdiskutant folgendermaßen zusammenfasst: „Dir kéint net emol lëtzebuergesch schreiwen. Dir wäert schonn ëmmer ee Géigner vun der lëtzebuerger Sprooch gewiescht. Wéi all Politiker géift oder wéilt Dir net gesi wat hei am Land leeft. Datt eis Politiker verantwortlech sinn, datt mir eis eege Sprooch am eegene Land net méi kéinte schwätzen. Dir wéilt elo aus walpolitesche Grënn d‘Kéier kréien asw.“ Eine Woche später entschuldigt Fayot sich, dass er nicht Luxemburgisch geschrieben hatte, und versucht, den Unmut zu beschwichtigen. 

Mit der Kandidatur von Claude Frisoni auf der Europaliste lieferte die LSAP aber noch eine weitere Vorlage für die Empörung der Sprachschützer: „Lëtzebuerg ass esou multikulti, dat et Leit an ’t Renne schéckt, déi kee Grëtz Respekt hunn virun deem Land, dat se wëlle vertrieden. Et ass wierk­lech wurscht, wou een hir ass, mee de Minimum vu Respekt ass nämlech d’Sprooch vun dem Land ze beherrschen, op deem sengem Bockel ee wëll Carrière maachen.” Die anschließende Diskussion, wie viele andere auf Internet-Foren, zeigt, dass immer weniger Luxemburger bereit sind, ihr Land als Mitglied der Gemeinschaft der frankophonen Staaten zu verstehen und den französischen Mitbürgern ihre Sprachlernfaulheit durchgehen zu lassen, ohne dafür aber in eine rechte oder nationalistische Ecke gestellt werden zu wollen oder Sympathien für die ADR an den Tag zu legen. In diesem Kontext kommt es auch zu einer Diskussion um die „theoretischen“ Grundlagen der ADR („Wien sech am Kontext vun Natioun a Kultur op en Herder berifft, deen berifft sech op déi ideologesch Basis, déi fir den 1. an 2. Weltkrich a sämtlech Balkankricher responsabel ass. Dat alles gëtt gratis matgeliwwert am ADR-Package. Et steet fir déi, déi et wëllen wëssen, souguer op der Etiquette.”) und manch einer ist nach einem Umweg über Wikipedia überrascht, über die Abgründe, die sich auftun, und hofft, dass die­se Partei nicht zu viel zulegen wird.

Aus dieser Diskussion spricht aber auch eine Hilflosigkeit und eine Verzweiflung über die fehlende inhaltliche Auseinandersetzung im Wahlkampf. („Esou Parteien wéi d‘ADR profitéieren ëmmer vun den Iëselzechkeeten, déi aner Parteien maachen.“) Lex Roth hatte Ben Fayot in der oben angesprochenen Polemik in Schutz genommen und zur Versachlichung eine Fernsehdiskussion zum Thema angeregt. Doch dazu sollte es nicht kommen, und man durfte sich, wie ich es in einem Quotidien-Beitrag gemacht hatte, die Frage stellen: „L’ADR réussira-t-il à travers son engagement pour la langue luxembourgeoise et la défense de l’identité nationale ainsi qu’en faisant appel à d’autre sentiments moins avouables à mobiliser le mal-être de ceux, toujours plus nombreux, à souffrir les affres de la crise?“ 

Das Ende des Sprachenstreites?

Auch wenn es sicher noch andere Gründe für die ADR-Wahlschlappe gibt, so darf man festhalten, dass die Luxemburger Wähler, genau wie 1989 als Feles und Nationalbewegung scheiterten, extremistischen und nationalistischen Anwandlungen eine Absage erteilt haben. 

Der Rückzug hinter eine nationalistische Leitkultur („repli identitaire“) und der damit einhergehende Sprachpatriotismus, mit dem viele auf die als „Überfremdung“ empfundene verstärkte Präsenz von ausländischen Arbeitskräften reagieren, existiert, doch wird er durch die tief in der Kultur des kleinen Landes verankerte Integrationstradition aufgewogen. Immigran­ten, deren Zahl seit dem Beginn der Industrialisierung Ende des 19. Jahrhunderts schon immer sehr hoch war, werden akzeptiert, soweit sie die Gewohnheiten des Landes, und dazu gehören auch seine drei Sprachen, übernehmen. Die Luxemburger fühlen sich als eine kleine Gemeinschaft, die sich in ihrer Festung gegen die Anfeindungen der Nachbarn verteidigen muss, und die deutschen Angriffe auf das Steuerparadies Luxemburg haben sicher dazu beigetragen, dass die Wähler sich um den starken Mann der Stunde, der in deutschen Talkshows sein Land verteidigt, wie man es keinem anderen Politiker, geschweige denn einem ADR-Politiker zutrauen möchte.

Damit kokettiert Juncker, wenn er zum Beispiel in der Grevenmacher Sporthalle vor mehr als 500 Zuhörer erklärt: “Ech ginn net an all Sendung. A Kachsendungen ginn ech zum Beispiell net. (Lachen). Net well ech deem näischt kënnt ofgewannen. Ech kennen déi Fachausdréck op däitsch net esou richteg. (Langes Lachen und Applaus) An dofir ginn ech léiwer a Sendungen iwwer Wirtschaftskris a Finanzkris, do kennen ech d’Fach­ausdréck an och wat hannert den Ausdréck steet.” Oder wenn er sich über seine Mitbewerber lustig macht, zum Beipiel mit folgendem, in einen seiner langen Schachtelsätze eingeschobe­nen Seitenhieb: „D’Resultat vum Lidd, an et ass kee schéint Lidd, ein garstig Lied, wéi se nët weit ewech vun hei géifen soen, ... ein knaschtiges Lied, wéi den Här Asselborn géif soen”.

Die nationalistische Parolen des ADR hatten auch deshalb keine Wirkung, weil Juncker es schafft, ein diffuses Wir-Gefühl zu mobilisieren. Dort wo große Nachbarn von Nation oder Volk reden, sprechen die Luxemburger von WIR und bilden eine präreflexive Gemeinschaft, sozusagen eine Gewohnheitsnation. „Mir wëlle bleiwe wat mer sinn“, was auch immer das sein mag. Und während die ADR aus Luxemburg eine Abstammungsna­tion machen will, gegen die böse ASTI, die ganz im Geist der Willensna­tionen allen hier Lebenden Mitsprache- und Wahlrecht einräumen will, scheren die Wähler sich wenig um solche Haarspaltereien, solange die Kasse stimmt. Das Boulevardblatt Privat präsentiert Junker mit Judenstern auf dem ein Eurosymbol abgebildet ist, verfolgt von Merkel mit Stahlhelm und Steinbrück mit Hitlerbärtchen. Man mag den Kopf schütteln über die krude Symbolik, aber hier werden tiefe Schichten des Luxemburger Unterbewusstseins berührt und Juncker als Übervater aller Luxemburger und Beschützer der Nation bestätigt. Das weiß auch Asselborn, wenn er in der Financial Times Deutschland klagt: „Ich bekomme bis heute das Fett ab für diese Entgleisungen.“ 

Damit man vor der nächsten Wahl nicht wieder vor nationalistischen Flötenspielern bangen muss, täten alle Parteien gut daran, mit klarem Kopf endlich die sprachenpolitische Diskussion offensiv anzugehen. Vor allem die Reform des Sprachenunterrichts mit der offiziellen Anerkennung der klandestinen Präsenz des Luxemburgischen in der Primärschule und einer radikalen Reform der Didaktik des Französischunterrichtes, der nicht länger das Schreckgespenst der kleinen Luxemburger sein darf, müsste auf die Tagesordnung und, sei es nur, um all den wahren Sprachschützern zu danken, die nicht den extremistischen Parolen gefolgt sind. Dass dabei unsere traditionelle Mehrsprachigkeit nicht verloren gehen darf, müsste auch Konsens sein. 

Fernand Fehlen lehrt und forscht an der Universität Luxemburg, Forschungseinheit Identités, Politiques, Sociétés, Espaces (IPSE)

Fernand Fehlen
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