Alles so schön bunt hier: Das Kunstmuseum Basel zeigt „panafrikanische Malerei“

Paint it black

d'Lëtzebuerger Land du 06.09.2024

Von den fröhlichen Plakaten, die gerade über Basel verstreut sind, lacht eine Gruppe schwarzer Jugendlicher. Dass einer von ihnen einen Anstecker mit dem Bild des radikalen Aktivisten Malcolm X trägt, ist nur bei genauerem Hinsehen zu erkennen. Das Geburtstagskind in der Mitte der ausgelassenen Party ist Steve Biko, ein von Polizisten des südafrikanischen Apartheid-Regimes ermordeter Bürgerrechtler – das erfährt, wer die beworbene Ausstellung besucht. Allerdings bloß nebenbei, denn eigentlich ist dort „Black Joy“ das Leitthema.

Schwarze Gesichter sind bislang selten in der Sammlung des Basler Kunstmuseums, wie in der ganzen westlich dominierten Kunstgeschichte: Ab und zu ist einer der Drei Heiligen Könige etwas dunkler, eine Dienerin im Hintergrund, ein „Hofmohr“ oder eine Südseeschönheit von Gauguin. Jetzt aber zeigt das älteste Kunstmuseum der Welt, 1661 gegründet, in einem ganzen Gebäude nichts anderes als „figurative Gemälde aus Afrika und der afrikanischen Diaspora“.

Das Museum für Gegenwartskunst am Rheinufer wurde ausgeräumt, die eigene Sammlung ins Schaudepot am Stadtrand ausgelagert, um auf drei Stockwerken Platz zu schaffen für eine große Wanderausstellung. Das Museum zeitgenössischer Kunst (MOCAA) in Kapstadt, bisher das einzige derartige Museum in Afrika, hat dafür mehr als 150 Arbeiten von rund 120 Künstlern zusammengestellt. Sie unterlaufen Erwartungen des europäischen Publikums: Kriege, Krisen und Kolonialismus kommen allenfalls in den Begleittexten vor. Obwohl „unsere Geschichten voller Schmerz sind“, wählte die MOCAA-Direktorin Koyo Kouoh vor allem „Werke ohne Trauma“ aus.

Die Gemälde aus den Jahren 1938 bis 2022 stammen meist aus Privatsammlungen, da sich öffentliche Museen erst seit Kurzem dafür interessieren. Die ältesten folgen noch europäischen Vorbildern; zunehmend zeigen dann Pop- und Graffiti-Künstler ihre eigene farbenfrohe Welt. Die Werke sind allerdings nicht chronologisch angeordnet, sondern in sechs Kapiteln: „Triumph und Emanzipation“ gleich zu Beginn gibt den Ton vor, darauf folgen „Freude und Ausgelassenheit“, „Alltag“, „Sinnlichkeit“ und „Spiritualität“; zum Schluss lädt „Ruhe“ zum Chillen ein.

Malstile und Qualitäten sind dabei ganz unterschiedlich. Gemeinsam ist den Bildern, dass sie von Künstlern mit mehr oder weniger schwarzer Hautfarbe geschaffen wurden. Weiß sind darauf nur Butler am Rand oder Karikaturen fetter Safari-Touristen. Manche Darstellungen, etwa des US-Präsidenten Obama als Heiligem, schrecken nicht vor Kitsch zurück. Langweilig wird das bunte Kaleidoskop jedenfalls nie. Dafür sorgen auch Hörstationen, die der südafrikanische Komponist Neo Muyanga in jedem Raum mit passender Musik eingerichtet hat. Zum Begleitprogramm der Ausstellung gehören nicht nur Jazz-Konzerte, sondern zum Beispiel auch „diskursive Menüs“ des schweizerisch-dominikanischen Kochs Olivier Bur.

Die Einführungstexte zu den verschiedenen Abschnitten sind in Wir-Form verfasst („Wir Schwarzen haben Schönheit im Alltag...“) und vereinnahmen so kurzerhand alle Dunkel-Pigmentierten zu einer Gemeinschaft. Weißen Kuratoren würde das vermutlich als Rassismus angekreidet. Zuweilen ist auch der Bezug zu Afrika etwas vage: Der Surrealist Wifredo Lam etwa, Sohn eines Chinesen und einer Kubanerin, studierte in Spanien, war in Paris mit Picasso befreundet, hatte eine schwedische Ehefrau und ein Atelier in Italien – befasste sich aber mit dem afroamerikanischen Santeria-Kult. Viele der heutigen „Afro-Künstler“ leben anscheinend lieber in London oder Brüssel als in Afrika.

When We See Us, der Titel der Ausstellung, ist inspiriert von When They See Us, einer Filmserie über schwarze Jugendliche in den USA, die zu Unrecht als Verbrecher verurteilt wurden. Der beabsichtigte Perspektivwechsel, der neue „positive Blick auf die afrikanische Realität“ und der Kampf um kulturelle Gleichberechtigung scheint aber schwierig zu sein, so lange andersfarbige Sammler das Geld und das Sagen haben: Dem MOCAA, gegründet von dem deutschen Harley-Davidson-Chef und Safari-Resort-Besitzer Jochen Zeitz, wird schon mal vorgeworfen, ein „schwarzes Museum für weiße Besucher“ zu sein.

Zwar werden heutzutage Michael Armitage, Otobong Nkanga, Tracey Rose und ein paar andere Berühmtheiten zwischen der Biennale in Venedig und Sotheby’s, dem Kunsthaus Bregenz und dem MoMA in New York herumgereicht – insgesamt sind schwarze Künstler im internationalen Kunstbetrieb jedoch nach wie vor unterrepräsentiert. Die Kuratorin Koyo Kouoh ist aber zuversichtlich, dass sich das ändert. Sie hat in Europa unter anderem bereits Ausstellungen für die Documenta in Kassel und die Foto-Triennale in Hamburg organisiert und findet: „Die Sammlungen sind aufgewacht. Das Kunstschaffen ist global.“ p

Martin Ebner
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