Nostalgisch grooviger Jazz, klassisch geschulter Trompetensound, erfrischende Beats und eine Hand voll ehrlicher Emotionen – mit dem neuen Album Long Journey dürfte die Band Largo um den Trompeter Gast Waltzing an den Erfolg ihrer ersten Scheibe anknüpfen. Vor zwei Jahren hatte die Formation mit Fables of Lost Time ein interessantes Album herausgebracht und mit einem knisternden Jazz auf sich aufmerksam gemacht, der sich zu den Wurzeln der ganz Großen, Miles Davis oder John Coltrane, bekennt, aber dennoch nach neuen Mitteln und Wegen suchte. Neue Wege – das sind frecher Hip-Hop und mysteriöse Elektronik, gemixte Einblendungen und akustische Elemente der zeitgenössischen klassischen Musik. Waltzing hat sich keiner der neuen musikalischen Richtungen des späten 20. Jahrhunderts verschlossen. Largo, das sind, neben Waltzing als Frontmann, der Pianist und Keyboarder Thomas Brach, der Bassist Laurent Hoffmann, der Drummer Rainer Kind, Petz Hartert am Memory Moog-Synthesizer und der DJ und Rapper Chi. Gänzlich unbekannt sind die Musiker in der internationalen Jazz-Szene nicht. Nach ihrem großen Erfolg mit Fables of Lost Time war Largo die erste europäische Band, die zum renommierten Clearwater Jazz Festival eingeladen wurde. Danach stellten die Musiker aus Luxemburg ihr Album im Kennedy Center in Washington DC vor. Das zweite Album Long Journey sieht Gast Waltzing als Spiegelbild des Lebens und der Zeit. Besinnlich erläutert er seine Musik, die wie geschaffen ist für Vorweihnacht und Jahresende: "Du hast Spaß, drückst Traurigkeit aus, jemand verlässt dich, du machst eine neue Bekanntschaft – das alles sind Bilder, die ich entlang dieses langen Weges festgehalten habe". Nein, ein Weihnachtsalbum im traditionellen Sinn des Wortes ist Long Journey nicht, auch kein spirituelles Programm. Spirituell ist nur das Jesus-Bild auf dem Cover, das einer ethnischen Kultur aus Afrika oder Südostasien entstammen dürfte. Die Musik ist andächtig, lyrisch, gefühlvoll. Sie kommt aus dem Bauch heraus. Der mal schlank gedämpfte, mal verschwenderisch rund ausgekostete Trompetensound von Waltzing ist dehnbar und expressiv. Er vermischt sich mit grellen Moog-Effekten, dem virtuosem Tastenspiel von Thomas Brach, schwungvollen Percussion-Rhythmen und originellen, neuen Klangfarben, die einzigartig miteinander harmonieren. Die Musik ist angenehm, ja spannend, die Nummern sind zugänglich, ohne zu sehr ins Emotionale zu geraten und unangemessenem Kitsch zu verfallen. Ganz im Gegenteil: Die erste Fassung von Your Smile kommt als sensibel interpretierte, anspruchsvoll instrumentierte Jazz-Ballade daher, die mit ehrlichen Gefühlen überzeugt. Three Stones hingegen überrascht mit elektronischem Neuland. Die Cover-Version von Nothing Compares 2 U, dem Evergreen, den Prince 1985 für die Band The Family geschrieben hatte und den Sinéad O'Connor fünf Jahre später zu einem Welterfolg machte, reüssiert mit sanftem, elegantem Beat und einer Unmenge an passenden Pop-Elementen aus den Achtzigerjahren, und Ne me quitte pas kommt derart traurig daher, dass auch Jacques Brel die respektvoll von Waltzing intonierten Variationen genossen hätte. Ein geschlossenes Album, das Dank der Harmonie der Klangfarben und der unverfälschten Melancholie der Songs besticht.
Largo feat. Gat Waltzing: Long Journey; WPR Productions / Warner Jazz, Nr. 50 46 78 13 22