Monarchie

Fortsetzung der Demontage

d'Lëtzebuerger Land du 19.02.2009

Als Krönung jahrelanger Vorarbeit sollte der parlamentarische Ausschuss für die Institutionen und die Verfassungsrevision am 26. November vergangenen Jahres endlich den Textentwurf und die Artikelkommentare für eine Neustrukturierung der Verfassung verabschieden. Nach zwei Dutzend Revisionen von Einzelartikeln innerhalb der letzten 20 Jahre sollte die Verfassung erstmals als Ganzes umgeordnet werden. Die Hierarchie der Rechte, Pflichten und Institutionen sollte nicht mehr den Prioritäten des Obrigkeitsstaats des 19. Jahrhunderts gehorchen, sondern demokratischer, schlüssiger und moderner werden.

Doch zu dem Zeitpunkt schwelte schon die fünf Tage später, am 1. Dezember, publik gewordene Verfassungskrise, welche der Großherzog mit seiner Drohung ausgelöst hatte, das Inkrafttreten des vom Parlament gegen den Willen der CSV verabschiedeten Euthanasiegesetzes zu vereiteln. Inzwischen hat das Parlament fast handstreichartig am 11. Dezember die gesetzgeberischen Befugnisse des Großherzogs in erster Lesung beschnitten. Nach dem Scheitern des Referendumsversuchs soll die Revision von Verfassungsartikel 34 am 12. März in zweiter Lesung durch das Parlament gehen und dann in Kraft treten.

Bereits am Vortag, am 11. März, soll der parlamentarische Ausschuss erneut zusammenkommen, um endlich seinen Tagesordnungspunkt vom 26. November zu erledigen, die „Discussion définitive du projet de proposi­tion de révision portant modification et nouvel ordonnancement de la Constitution“. Doch inzwischen ist nichts mehr, wie es war. Bereits in den vergangenen Wochen hatte sich der Ausschuss die im November zur Diskussion stehenden Änderungsvorschläge noch einmal vorgenommen und sie radikalisiert. Unter dem Eindruck der von ihm ausgelösten Verfassungskrise soll der Großherzog weiter entmachtet werden, als noch vor drei Monaten geplant. Die ausgebliebene Unterstützung für ein Referendum scheint diese Politik zu legitimieren. Der Ausschussvorsitzende, Paul-Henri Meyers (CSV), hat seine eigenen Vorschläge inzwischen entsprechend abgeändert, und sie sollen spätestens Anfang April im Parlament deponiert,  wenn auch nicht mehr vor den Wahlen gestimmt werden.

Sollte das Verfassungskapitel über das Staatsoberhaupt noch im November weiterhin „Des prérogatives du Grand-Duc“ überschrieben werden, so sollen die aristokratischen Vorrechte nun zu republikanischen Befugnissen eingekocht und, wie in der demokratischen Revolution von 1848, wieder „Des pouvoirs du Grand-Duc“ genannt werden.

Artikel 34 lautet seit 1848: „Le Grand-Duc sanctionne et promulgue les lois. Il fait connaître sa résolution dans les trois mois du vote de la Chambre.“ Durch die im Dezember beschlossene Revision entfällt nun die Billigung und es heißt nur noch: „Le Grand-Duc promulgue les lois dans les trois mois du vote de la Chambre“. Aber das soll nur provisorisch sein. Denn der Ausschuss will Artikel 34 ganz abschaffen und in einem Artikel 87 bestimmen: „La loi votée est transmise par le Président de la Chambre des Députés au Gouvernement pour être promulguée et publiée dans les trente jours de la date de la transmission.“ Exit Großherzog, der in der ganzen Prozedur gar nicht mehr vorkommt.

Doch das gilt nicht nur für die Gesetzgebung, sondern auch für die Rechtssprechung. Noch vor drei Monaten war nicht vorgesehen, Artikel 49 der Verfassung zu ändern, der besagt, dass die Gerichte im Namen des Großherzogs Recht sprechen und die Urteile in seinem Namen ausgeführt werden. Nachdem der grüne Abgeordnete Félix Braz vorgeschlagen hatte, diese Artikel ganz zu streichen, soll das Recht künftig gesprochen und ausgeführt werden, ohne den Großherzog überhaupt zu erwähnen.

Derzeit heißt es in dem erst 2004 geänderten Artikel 36: „Le Grand-Duc prend les règlements et arrêtés nécessaires pour l’exécution des lois.“ Irrtum, meint nun der parlamentarische Ausschuss, die Regierung beschließt, und der Großherzog muss unterschreiben: „Le Conseil de Gouvernement arrête les textes des règlements et arrêtés grand-ducaux à signer par le Grand-Duc.“ Ähnlich soll es mit Artikel 35 gehen, der im Augenblick verfügt: „Le Grand-Duc nomme aux emplois civiles et militaires [...].“ 

Großherzogin Maria-Adelheid hatte bekanntlich ihr unliebsame Ernennungen hinausgezögert. Deshalb plant der parlamentarische Ausschuss auch hier eine Entmachtung und will in einen neuen Artikel schreiben: „Le Conseil de Gouvernement décide des nominations civiles et militares ressortissant au Grand-Duc.“

Artikel 37 besagt derzeit, dass der Großherzog internationale Verträge abschließt. Noch im November sollte das nicht bloß so bleiben, sondern es sollte noch hinzugefügt werden, dass der Großherzog die Verträge auch ratifizieren und auflösen kann. Stattdessen einigte sich der Ausschuss nun auf Vorschlag von LSAP-Präsident Alex Bodry darauf, dass es künftig die Regierung ist, die im Namen des Großherzogs Verträge abschließt.

Dem LSAP-Verfassungsexperten Bo­dry gehen die Änderungen noch nicht weit genug. Er stellte auch das Prinzip der Unverletzbarkeit des Großherzogs in Frage und sprach sich sowohl in der Öffentlichkeit wie auch im Ausschuss dafür aus, nach dem Vorbild der schwedischen Monarchie die Befugnisse des Großherzogs auf das Zeremonielle zu beschränken. Dem dürfte die Verfassung künftig ziemlich nahe kommen. Denn ein wenig sieht es danach aus, als ob Parteien und Regierung als Reaktion auf die rezente Verfassungskrise kurzen Prozess mit dem Staatsoberhaupt machen und ihn so weit entmachten wollen, dass eine solche Krise sich nicht wiederholen kann. 

Romain Hilgert
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