Territorialreform

Kleiner Durchbruch

d'Lëtzebuerger Land vom 05.07.2007

„Syvicol für Gemeindefusionen“ titelte d’Wort am Freitag vergangener Woche, nachdem am Tag zuvor der neue Vorstand desGemeindeverbands sich mit dem parlamentarischen Spezialausschuss Territorialreform getroffen hatte, und meldete, Ausschussvorsitzender Michel Wolter (CSV) habe die Syvicol-Vorschläge „einen Durchbruch“ genannt.

Allerdings war der Syvicol noch nie gegen Gemeindefusionen.Das wirklich Neue, der Durchbruch, wenn man so will, bestehtdarin, dass der Gemeindeverband Ja sagt zur magischen Zahl„3 000“ – jener Einwohnerzahl, die Innenminister Jean-MarieHalsdorf die „kritische Masse“ genannt hatte, ab der eine Gemeinde ihren Bürgern alle Basisdienste anzubieten im Stande sei, und das zu vertretbaren und mit anderen Kommunen vergleichbaren Preisen. 

Angesichts der starken Präsenz von „députés-maires“ im Vorstand besagt dieses Ja zweierlei: Zum einen zeigt es, wie stark sich die Gemeinden heute als Service Provider an ihren Bürgern verstehen. Diesem pragmatischen Prinzip opfert man sogar alle Bedenken über einen eventuellen Verlust an „Bürgernähe“ und „Demokratie“, die früher für das Weiterbestehen kleiner Kommunen sprechen sollten. Und immerhin ist ab 3 000 Einwohnern der Übergang zum Proporz-Wahlsystem fällig. Mit dem Verweis darauf hatte – zweitens – insbesondere die DP noch bis vor kurzem den Reformvorschlag des Innenministers als Versuch der CSV, strategisch an Terrain zu gewinnen, gebrandmarkt. Mit dem Einlenken des Syvicol auf „3 000“ und der Aussage, 45 bis 55 Gemeinden seien anzustreben, könnte Schluss damit sein. Der Gemeindeverband ist ja auch nicht die von LSAP-Bürgermeistern dominierte Organisation – dafür sorgt schon die Präsenz des Mamer Bürgermeisters Gilles Roth (CSV) und des Liberalen Paul Helminger aus der Hauptstadt als Vizepräsidenten im Vorstand. 

Doch damit ist nur das in der Öffentlichkeit am stärksten ventilierte Für und Wider berührt: Gemeindefusionen und kritische Masse.Hinzuzufügen bliebe, dass der Syvicol eine Ausnahme vom Prinzipfür schwach besiedelte Landgemeinden wünscht, die zu einer inder Fläche übermäßig großen Fusionskommune wachsen müssten,um den Zielwert 3 000 zu erreichen.

Darüber hinaus aber hat auch der Syvicol auf manch kritische Detailfrage einer Territorialreform zurzeit keine geschlossene Antwort. Die von Minister Halsdorf als Übergangsphase zu Fusionen vorgeschlagenen Gemeindeverbünde lehnt der Syvicol ab. Stattdessen solle ein Rahmengesetz helfen, eine verstärkte Zusammenarbeit der Gemeinden „institutionell zu begleiten“. Welche Institutionen das sein könnten, wenn nicht Gemeindesyndikate, hat der Vorstand jedoch nicht geklärt; Syndikate hält er eher als „für technische Missionen geeignet“. Für stärkere Zusammenarbeit solle es „finanzielle Anreize“ vom Staat geben. Aber noch ist verbandsintern nicht ausdiskutiert ist, ob und falls ja, zu welchem Zweck ein Teil der Gemeindefinanzen regionalisiert werden könnte. Vielleicht reproduzieren sich im Syvicol ja die Meinungsverschiedenheiten, die auch im Spezialausschuss auftreten, und wo es – wegen der vielen dort vertretenen „députés-maires“ – oft weniger um Parteifarben geht als um Groß gegen Klein und um Stadt gegen Land.

Peter Feist
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