Abberufung von Nico Ries

Putzen mit dem General

d'Lëtzebuerger Land du 15.11.2007

Ziemlich beiläufig teilte die Regierung nach ihrer Kabinettsitzung amvergangenen Freitag mit, dass sie auf Vorschlag von Armeeminister Jean-Louis Schiltz beschloss, den Oberbefehlshaber der Luxemburger Armee abzuberufen. Generalstabschef Colonel Nico Ries soll am 1. Januar durch den gegenwärtigen Kommandanten des Militärzentrums auf dem Diekircher Herrenberg, Lieutnant-Colonel Gaston Reinig, ersetzt werden.

Immerhin ist der Generalstabschef der höchstrangige Offizier und Oberbefehlshaber der Armee. Politisch hat er dem Verteidigungsminister zu gehorchen, militärisch untersteht er nurdem Großherzog, der laut Artikel 37 der Verfassung die Armee befehligt.

Artikel sechs des vielleicht im Laufe des nächsten Jahrs verabschiedeten Gesetzentwurfs zur Armeereform sieht sogar vor, dass der Generalstabschef, der bisher den Rang des Obersten oder Colonel hat, künftig den Rang des Generals erhält. Damit soll er vor allem seinen ausländischen Kollegen gleichgestellt werden, wasdie gleichberechtigte Zusammenarbeit auf Nato- und europäischer Ebene vereinfachen soll. Die Ehre, erster ordentlicher General der Luxemburger Armee zu werden, soll aber Ries, der seit Januar 2002 Generalstabschef ist, nicht mehr zuteil werden.  

Die Mitteilung der Regierung erklärte am Freitag Ries’ Abberufung lapidar damit, dass sie „im Rahmen der geplanten Armeereform“ geschehe. Gegenüber dem Land meinte Armeeminister Jean-Louis Schiltz (CSV) am Dienstag, dass die Umbesetzung „Teil der globalen Reorganisation der Armee“ sei. Zu dieser Schritt für Schritt mit dem zuständigen Parlamentsausschuss abgesprochenen Reform gehören laut Minister das Depot des entsprechenden Gesetzentwurfs vor zweiMonaten, das am Freitag von der Regierung bewilligte Programm des militärischen Ausrüstungsfonds und die Neubesetzung von Mandaten. 

Der im September deponierte Gesetzentwurf zur Armeereform strebt vor allem eine weitere Professionalisierung der Truppe an. Sein Kernstück ist die Schaffung von Udo, Unités de disponibilité opérationnelle, in denen Soldaten und Offiziere für Einsätze in Krisengebieten außerhalb des Nato-Gebiets bereit stehen. Dasbisherige System, nach dem nur Soldaten nach Afghanistan, in den Kongo oder Libanon geschickt werden konnten, die sich freiwillig meldeten, stößt seit Jahren an seine Grenzen. Denn oft fehlt es an Freiwilligen, wenn die Regierung es aus politischen Gründen für ratsamhält, dass Luxemburg nicht nur Geld, sondern auch einige seiner Söhne und Töchter in Krisengebiete schickt. Im Entwurf des Staatshaushalts für 2008 ist eine Verzwanzigfachung der Ausgaben für „missions de prévention et de gestion de crise“ von einer halben Million vergangenes Jahr auf zehn Millionen Euro nächstes Jahr vorgesehen. Diese Entwicklung verlangt nach Ansicht des Armeeministers, dass sich, neben dem Generalstabschef, jemand um die internationalen Verpflichtungen kümmere. Dazu gehörten nicht nur die Auslandseinsätze, sondern auch der Umgang mit der von Nato und EU verlangten Erhöhung der Militärausgaben und die zuletzt sogar von Frankreich vorgeschlagene Stärkung der europäischen Verteidigungsgemeinschaft. Ansgesichts dieser Entwicklung könne sich Luxemburg nicht mehr auf gelegentlicheEinzelmaßnahmen beschränken.

Allerdings war es bei Auslandseinsätzen in der Vergangenheit auch zu Planungspannen unter dem Kommando von Generalstabschef Nico Ries gekommen, der sich nun imVerteidigungsministeriumum die Planung der internationalen Verpflichtungen der Armee kümmern soll. Dass Ries aber aufs Abstellgleis geschoben wird, sieht der Minister nicht so. Schließlich sei die künftig ihm anvertrauteAufgabe „a) hochrangig besetzt, b) beim Verteidigungsministerangesiedelt und c) ein wichtiger Beitrag zur europäischen Verteidigungsgemeinschaft“. Außerdem habe Ries „in den vergangenen fünf Jahren eine wichtige Aufgabe“ erfüllt, sei es doch „unter seinem Kommando, dass ständig 35 bis 40 Mann in Auslandseinsätzen“ seien. „Ich will auch nicht verheimlichen,dass ich demnächst einen Militärberater ernennen will“, fügt Jean-Louis Schiltz hinzu.

DP-Präsident Claude Meisch erkundigte sich inzwischen in einer noch unbeantworteten parlamentarischen Anfrage danach, ob Ries mit dieser Versetzung einverstanden gewesen war. Der Betroffene selbst will sich nicht öffentlich äußern. Doch vielleicht bezweckt die Ablösung des Generalstabschefs im Zuge der eine weitere Professionalisierung anstrebenden Armeereform auch eine weitere Professionalisierung der Armeeführung. Als Nachfolger für den Generalstabschef wählte der Armeeminister nicht, wie seinerzeit sein Vorgänger Charles Goerens (DP) mit Ries‘ Ernennung, den beigeordneten Generalstabschef aus, sondern den Kommandanten des Militärzentrums von Diekirch, Oberstleutnant Gaston Reinig.

Der in Diekirch geborene, 51-jährige Reinig studierte an der Militärakademie in Brüssel und der Infanterieschule von Montpellier. Auf dem letzten Höhepunkt des Kalten Kriegs, zwischen 1984 und 1987, kommandierte er das Luxemburger Kontingent der mobilen Einsatztruppen der Nato in Europa. Von Reinig wird erwartet, mit der Autorität eines künftigen Generals die Armee zum Abmarschin eine neue Ära zu kommandieren. Einen neuen Kommandantendes Diekircher Militärzentrums, der Gaston Reinig ersetzen soll, will die Regierung während einer der nächsten Kabinettsitzungen bestimmen.

 

Romain Hilgert
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